IMG 7777Auf Anregung des Ministeriums für Agrarpolitik und Ernährung hatte der APD am 28.10.2015 im Rahmen der Messe InterAgro 2015 zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Familienbetriebe als wichtiger Bestandteil der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume – deutsche Erfahrungen“ eingeladen.

Rund 100 Teilnehmer, Vertreter des Ministerium für Agrarpolitik und Ernährung, der Werchovna Rada und der Agrarwirtschaft diskutierten über die gesamtgesellschaftlichen Anforderungen an die Entwicklung der Millionen individuellen Kleinstwirtschaften (jeweils 3-5 ha) in der Ukraine, die, trotz ihrer geringen Effizienz, seit Jahren einen erheblichen Anteil an der Produktion von Milch, Fleisch, Obst und Gemüse, vor allem auch über den Eigenverbrauch, leisten.

Der stellv. Minister des MAPE betonte in seinem Vortrag: „Wichtige Zielstellungen sind die Steigerung der Effektivität dieser umfangreichen Agrarflächen, die durch individuelle Kleinstwirtschaften genutzt werden. Gleichzeitig werden aber auch Effekte für die Entwicklung des Lebensniveaus der Landbevölkerung erwartet. Da in den kommenden Jahren kaum staatliche Unterstützung zu erwarten ist, sind diese Kleinstwirtschaften auf Selbsthilfe und Selbstorganisation, z.B. durch die Zusammenschlüsse zu kooperativen Strukturen, angewiesen.“

IMG 7689Der Präsident der Vereinigung der Farmer und Landbesitzer der Ukraine, Herr Ivan Tomych, beschrieb in seinem Vortrag die Strukturen der Bewirtschaftung in der Ukraine. Das Gefälle zwischen dem Lebensniveau der ländlichen und städtischen Bevölkerung ist enorm. Die Einkommens- und die Lebensbedingungen im ländlichen Raum der Ukraine sind, insbesondere im Kontext der angestrebten EU Integration, teilweise unzumutbar. Angesichts der rasanten Landflucht rief er die Politik zu schnellem Handeln auf. Herr Tomych schlug vor, das Jahr 2016 zum „Jahr der Familienbetriebe“ in der Ukraine zu deklarieren und konkrete Schritte zur staatlichen Unterstützung einzuleiten.

IMG 7711Herr Vadim Ivchenko, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses der Werchovna Rada der Ukraine für Fragen der Agrarpolitik und der Landbeziehungen berichtete über den aktuellen Gesetzentwurf №1599, demzufolge die individuellen Kleinstwirtschaften auf freiwilliger Basis einen juristischen und steuerrechtlichen Status erhalten können. Experten des Deutsch-Ukrainischen Agrarpolitischen Dialogs hatten den Gesetzentwurf bereits im April 2015 kommentiert. Ivchenko beklagte die immer noch weitgehend desolaten Lebensbedingungen in den Dörfern der Ukraine. Mit dem neuen Gesetzt sollen nun die Grundvoraussetzungen für marktwirtschaftliches Agieren und staatliche Förderung sowie soziale Absicherung der individuellen Kleinstwirtschaften geschaffen werden. „Der juristische und steuerrechtliche Status wird die Entwicklung von Servicegenossenschaften und den Zugang zu Krediten ermöglichen. Er wird daher zur Steigerung der Effektivität der Produktion beitragen“, sagte Ivchenko.

Der Experte des APD, Herr Dr. Paul Armbruster, mit langjährigen Erfahrungen im Bereich der Entwicklung von Familienbetrieben in Deutschland, sprach über die Bedeutung der Selbstverwaltung für die Entwicklung effizienter Familienbetriebe. 90 % der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland sind Familienbetriebe. Wobei insbesondere in den Neuen Bundesländern im Rahmen der Restrukturierung wesentlich größere Agrarunternehmen in der Rechtsform der Genossenschaften, aber auch anderer Rechtsformen entstanden sind. Herr Armbruster betonte vor allem die Bedeutung der Selbsthilfe. Er berichtete über die positiven Erfahrungen der über 2.300 Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften des deutschen Raiffeisenverbandes e.V., die wesentlich zur Effektivitätsentwicklung der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland beigetragen haben. Die Initiative muss aber von den Eigentümern ausgehen.

IMG 7771In seinem Vortrag «Familienbetriebe, als ein wichtiger Bestandteil der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums – Erfahrung aus Bayern» berichtete der Experte des APD, Herr Anton Hübl, Leiter des Referats EU-Agrarpolitik, Internationale Beziehungen des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Freistaates Bayern über Erfahrung bei der Erhaltung und Entwicklung von Familienbetrieben. In Bayern wird die nachhaltige Entwicklung im kleinstrukturierten ländlichen Raum staatlich, über EU und den Landeshaushalt, gefördert. Wichtige Ziele sind der Schutz der natürlichen Ressourcen und die Angleichung des Lebensniveaus an den urbanen Standard. Dabei setzt man in Bayern auf viele Kleinbetriebe. Die Durchschnittsfläche eines Landwirtschaftsbetriebes beträgt in Bayern nur rund 32 ha. Agrarpolitisch werden Freiwilligkeit und Anreize gegenüber ordnungsrechtlichen Eingriffen favorisiert. Die agrarpolitischen Grundsätze Bayerns wurden in einer Strategie, dem sogenannten Kulturlandschaftsprogramm (KULAP), öffentlich diskutiert und gesetzlich fixiert. Das Programm wird nun bis 2020 umgesetzt. Schwerpunktmäßig ist KULAP auf die Politikbereiche Klimaschutz, Boden- und Wasserschutz, Biodiversität, Artenvielfalt und die Erhaltung der Kulturlandschaft ausgerichtet.

In der Diskussion wurde noch einmal die Rolle des Staates bei der Sicherung der Eigentumsverhältnisse diskutiert. Schwerpunkt war hier die Verantwortung der allgemeinen Politik für die Schaffung stabiler, verlässlicher Rahmenbedingungen als Grundvoraussetzung für Investitionen im Agrarsektor der Ukraine.

Die gesetzliche Fixierung einer öffentlich diskutierten, mit allen maßgeblichen Interessenvertretern abgestimmten Strategie zur Entwicklung der ländlichen Räume, ähnlich dem Beispiel KULAP in Bayern, würde den gesellschaftspolitischen Diskurs in der Ukraine effizienter gestalten. Ein ukrainisches KULAP würde, insbesondere unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit riesiger Flächen, spezifische Ziele bei der Entwicklung der ländlichen Räume enthalten.

Die Selbsthilfe über Genossenschaften wurde als ein wichtiger Weg zur Erschließung der Effektivitätspotentiale der individuellen Kleinstwirtschaften in der Ukraine gesehen. Hier sollte der Staat mit geringem Transaktionsaufwand, insbesondere durch Beratung, Unterstützung leisten.

Nach Abschluss der Veranstaltung bot sich beim Agrarabend der deutschen Wirtschaft die Möglichkeit zum Networking mit den Referenten.

Quelle: APD. Fotо: APD. Datum: 28.10.2015

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