Vom 12.-14.04.2023 fand eine Fachinformationsreise des APD-Ukraine nach Brüssel statt, woran relevante Personen des Ministeriums für Agrarpolitik und Ernährung der Ukraine (MAPE), des Agrarausschusses der Werchowna Rada, der Agrarfachverbände im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion und der ländlichen Entwicklung sowie der Agrarwissenschaft teilgenommen haben.

Im Rahmen des Programmtitels der FIF "Potenziale für eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in der Ukraine vor dem Hintergrund der europäischen Integration" besuchte die ukrainische Delegation wichtige EU-Institutionen sowie Agrar-Interessensvertretungen, um sich zu den Fortschritten des europäischen Integrationsprozesses der Ukraine sowie zu entsprechenden Maßnahmen und Aktivitäten auszutauschen. 20230412 1541112

Zu den Schwerpunkten der Reise gehörte u.a. ein dreistündiges Gespräch mit Vertretern der großen nationalen Landwirtschafts- und Genossenschaftsverbände der EU-Mitgliedsstaaten - der Dachorganisation „Copa-Cogeca“. Dabei ging es insbesondere um Perspektiven und Potenziale für die nachhaltige agrarwirtschaftliche und ländliche Entwicklung. Oleksandra Avramenko, Leiterin des UCAB-Ausschusses für europäische Integration, stellte die Produktionskapazitäten ukrainischer  landwirtschaftlicher groß- und mittelständischen Unternehmen vor. Mykola Pugachov, stellvertretender Direktor des Instituts für Agrarwirtschaft an der Nationalen Akademie der Agrarwissenschaften der Ukraine, berichtete in Absprache mit dem ukrainischen Berufsverband der Landwirte und der privaten Landbesitzer über das Potenzial von Kleinunternehmen im ukrainischen Agrarsektor. Ihor Abramijuk, Entwicklungsdirektor des Allukrainischen Gemeindeverbandes, setzte sich in seiner Präsentation mit dem Thema der nachhaltigen Entwicklung des Agrarsektors auseinander. Olena Kovalyova, unabhängige Beraterin des MAPE, stellte das Potenzial der Ukraine im Bereich der nachhaltigen Entwicklung vor. Die Beiträge der ukrainischen Teilnehmenden stießen dabei auf sehr großes fachliches Interesse, woran sich intensive und tiefgründige Diskussionen zu Implikationen des EU-Beitrittes eines der größten Agrarländer anschlossen. "Ein angemessener Ideen- und Informationsaustausch ist für die erfolgreiche europäische Integration der Ukraine von entscheidender Bedeutung", hob Pekka Pesonen, Generalsekretär von Copa-Cogeca hervor. Die Vertreter und Vertreterinnen der ukrainischen Delegation wiesen u.a. auf Defizite beim Zugang zu aktuellen Informationen, insbesondere bezüglich der Verfahren der Prüfung und der Verabschiedung von einschlägigen Verordnungen auf EU-Ebene hin. "Die Agrarpolitik der EU, wie die der Ukraine, entwickelt sich ständig weiter. Die Heranführung der Ukraine an die EU-Standards im Bereich der Agrarwirtschaft könnte viel effizienter gestaltet werden, wenn die ukrainischen politisch Verantwortlichen über die aktuellen Änderungen, die auf der EU-Ebene erwogen werden, besser informiert wären. Damit könnten diese Änderungen bei der Ausarbeitung von einschlägigen Rechtsvorschriften berücksichtigt und antizipiert werden, statt sie im Nachhinein, d.h. nach ihrer Verabschiedung, nachzuholen“, betonte Kovalyova. 20230412 092822

Beim Treffen mit dem Vorsitzenden des Agrarausschusses des Europäischen Parlaments, Norbert Lins, stellte Iryna Koryakina, Chefberaterin des Sekretariats des Ausschusses für Agrar- und Bodenpolitik der Werchowna Rada der Ukraine, die aktuellen Aktivitäten und Arbeitspläne des Ausschusses zur Anpassung von einschlägigen Rechtsvorschriften vor. Koryakina stellte die in der Ukraine bereits verabschiedeten Gesetze zur europäischen Integration kurz vor. Sie ging ferner auf Initiativen, einschließlich der Gesetzesentwürfe zum Umgang mit GMOs, zur staatlichen Regulierung im Bereich der Lebensmittelsicherheit und der Viehzucht, zum Bodenrecht ein, und schlug bestimmte Formate für die Zusammenarbeit zwischen der Werchowna Rada und dem Europäischen Parlament vor. "Die Ukraine benötigt fachliche Unterstützung und Beratung, insbesondere bei der Entwicklung von Spezialgesetzen im Bereich des Bodenrechts", sagte Koryakina. Daneben wurde die Vertiefung des Fachaustausches zwischen den Mitgliedern des Agrarausschusses der Ukraine und des Deutschen Bundestages angesprochen. In diesem Zusammenhang bat Frau Koryakina den APD um Unterstützung. Ergänzt wurde das Gespräch durch eine Darstellung zu Vorbereitungsmaßnahmen und der Umsetzung der Politik zur Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in der Ukraine, welche von Pavlo Koval, Direktor der ukrainischen Agrarkonföderation, vorgestellt wurde. Olena Kovalyova zeigte Ansätze zur Neugestaltung des Systems der Lebensmittelsicherheit und des Verbraucherschutzes in der Ukraine. 

Besonders intensiv entwickelte sich das Gespräch mit der Vertretung der Europäischen Kommission, u.a. der DG AGRI und DG NEAR. Der Bericht zum Thema "Veränderungen in der Agrarpolitik und im Agrarsektor der Ukraine vor dem Hintergrund der europäischen Integration: aktueller Stand, Herausforderungen und Perspektiven“ wurde von Olena Kovalyova vorgestellt, welcher die derzeitige Agrarstruktur in der Ukraine, d. h. den Anteil landwirtschaftlicher Unternehmen an der Struktur der Produktion und der Exporte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die Aussichten für ihre Entwicklung und die verbindliche Eintragung aller landwirtschaftlichen Erzeuger in das einheitliche Agrarregister berücksichtigt. Deutlich wurde dabei, dass die Ukraine nicht nur durch große Betriebe geprägt ist, sondern gleichfalls durch eine sehr große Anzahl kleiner Betriebe und Selbstversorger. Diese Betriebsstrukturen haben in der politischen Diskussion der EU bisher wenig Beachtung gefunden. Ein besonderes Augenmerk galt der Frage, wie die Ukraine zur Stärkung der Rolle der EU auf globalen Agrarmärkten beitragen könnte. "In der Zukunft wird die Ukraine in der Lage sein, die derzeitige Agrarproduktion der EU zu ergänzen und ihre Stellung auf internationalen Märkten zu stärken. Es gibt viele Kooperationsfelder. Aus diesem Grund dürfen ukrainische Landwirt:innen nicht als Konkurrenten, sondern als Partner betrachtet werden, die zu einer erheblichen Stärkung der EU beitragen können", sagte Kovalyova. 20230412 093949

Vitalina Kitsun, zuständige Expertin für Landwirtschaft bei der ukrainischen Mission in Brüssel, informierte die Teilnehmenden der ukrainischen Delegation über die Aufgaben der Mission und gab wertvolle Ratschläge für die Kommunikation mit maßgeblichen europäischen Organisationen. 

Mit Unterstützung des Projekts COA – „Deutsch-Ukrainische Kooperation im Bereich Ökolandbau“, dass im Rahmen des Bilateralen Kooperationsprogramms des BMEL in der Ukraine durchgeführt wird, fand ein Treffen mit Eduardo Cuoco, Direktor IFOAM Organics Europe, und Kateryna Shor, Nationale Koordinatorin der Ukraine, statt. IFOAM Organics Europe vereinigt nahezu alle Spitzenorganisationen des ökologischen Landbaus der EU. Oleksiy Pinchuk, Direktor der Abteilung für internationale Zusammenarbeit und europäische Integration des MAPE, skizzierte den Stand des ökologischen Landbaus in der Ukraine und den erfolgreichen Export der Öko-Produkte in die EU trotz der schwierigen Rahmenbedingungen aufgrund des kriegerischen Angriffs Russlands auf die Ukraine. Wie in der EU hat sichdie Ukraine das Ziel gesetzt, in den kommenden Jahren die ökologisch-bewirtschafteten Flächen kontinuierlich zu erhöhen. Laut Herrn Cuoco ist die aktuelle EU-Agrarpolitik auf solche Aspekte wie sichere, ökologische, saubere, ressourceneffiziente, umweltfreundliche und nachhaltige Produktion konzentriert. Sie finden sich in allen aktuellen agrarpolitischen Strategien wieder, einschließlich  der Strategie "vom Hof auf den Tisch“, dem Konzept der Biodiversität und selbstverständlich dem Europäischen Green Deal. Der ökologische Landbau spielt bei diesen Strategien eine zunehmend wichtigere Rolle. Deutlich wurde den Vertretern der Fachinformationsfahrt, wie aktiv IFOAM diese Interessen in Brüssel vertritt und wie frühzeitig IFOAM hier aktiv wird. “Ich freue mich sehr, dass über diesen Austausch wichtige Kontakte zwischen den Vertretern und Vertreterinnen der Fachinformationsfahrt undIFOAM geknüpft werden konnten und deutlich wurde, wie wichtig die Präsenz in Brüssel für die Vertretung der fachlichen und politischen Interessen ist“, so Dr. Stefan Dreesmann als Leiter des COA-Projektes. 20230414 151520

Während des Treffens mit Vertretern des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) hatte die ukrainische Delegation Gelegenheit, sich mit dem Präsidenten des Weltbauernverbandes (WFO), Arnold Puech dAllisac, auszutauschen, der die Unterstützung seines Gremiums für die ukrainische Landwirtschaft in der gegenwärtigen militärisch schwierigen Zeit bekräftigte. Solidarität mit dem ukrainischem Fachkollegium und Unterstützung für die Ukraine wurden auch von Andreas Turner, Vertreter der Task Force Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums, sowie Dumitru Fornea, Leiter der Monitoring-Einheit Östliche Partnerschaft, zum Ausdruck gebracht. Nach der Präsentation der von Pavlo Koval erstellten Analyse der derzeitigen Politik zur Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums, konnten sich die Teilnehmenden des Treffens über eine mögliche weitere Zusammenarbeit austauschen. "Verantwortliche der ukrainischen Agrarpolitik sind sich der Verpflichtungen, welche mit dem Prozess des EU-Beitrittes zusammengehen, durchaus bewusst. Zugleich trägt aber die Ukraine eine große Verantwortung nicht nur für ihre eigene, sondern auch für die globale Ernährungssicherheit, welche derzeit mit vielen Herausforderungen verbunden ist. Diese kann das Land nicht alleine bewältigen kann. Eine enge Zusammenarbeit mit dem EWSA-Ausschuss und dem Europäischen Parlament sowie der Europäischen Kommission können zu einem besseren Verständnis der aktuellen Herausforderungen und Ansätze in der ukrainischen Agrarpolitik und der europäischen Integrationsprozesse in der Ukraine bedeutend beitragen", fasste Maria Yaroshko, Projektleiterin des APD, das Treffen zusammen. 

Klaus Nutzenberger, Leiter der deutschen Vertretung des Städte- und Gemeindebundes, teilte seine Erfahrungen bei der Interessenvertretung ländlicher Gemeinden in Brüssel mit. Er gab seinen Kollegen und Kolleginnen, insbesondere vom Allukrainischen Gemeindeverband, hilfreiche Hinweise für den Aufbau einer eigenen Vertretung in der europäischen Hauptstadt und ging dabei insbesondere auf wichtige Ansätze bei der Kontaktaufnahme und Durchführung von repräsentativen Maßnahmen ein. 

Um sich über Erfahrungen einzelner Ländervertretungen zu informieren, traf sich die ukrainische Delegation auch mit dem Referenten der Vertretung des Freistaats Bayern bei der EU, um sich zur Vorgehensweise bei der Vorbereitung und Diskussion von Gesetzesnovellen auszutauschen. Die Interessensvertretung in Brüssel sollte die abgestimmten Interessen möglichst vieler Bürger:innen bündeln. 20230414 112449

Die ukrainische Delegation konnte sich davon überzeugen, dass der lebendige Dialog mit europäischen Fachkollegen für eine nachhaltige europäische Agrarpolitik in der Zukunft unausweichlich. Dies wird einerseits zu einer effizienten Politikgestaltung auf nationaler Ebene beitragen und andererseits dabei helfen, Missverständnisse zu vermeiden, die oft durch Mangel an Informationen und angemessener Aufklärung entstehen. Derzeit werden vom APD weitere Aktivitäten zur Stärkung des Informationsaustausches im Agrarsektor zum Ausbau des Dialogs im Zuge der EU-Integration geplant.

Präsentationen:

Ukraine on its way to European integration — current state, plans and challenges (Iryna Koriakina, Verkhovna Rada) 

Assessment of Ukraine's agricultural policy 2021 (Pavlo Koval, UAC)

Sustainable development potential of small agricultural enterprises in Ukraine (Mykola Pugachov, Institute of Agrarian Economics)

Analysis of the state and prospects of of sustainable rural development in ukraine in the context of european integration (Ihor Abramiuk, All-Ukrainian Association of Communities)

Challenges and potential of further sustainable development of medium and large agricultural enterprises in Ukraine (Oleksandra Avramenko, UCAB)

Sustainable Agricultural and Rural Development in the context of Eurointegration: Ukraine (Olena Kovalova)

Food Systems Transformation: Ukraine (Olena Kovalova)

Transformation of Agrarian Policy and Agriculture in the Ukraine’s Eurointegration Process (Olena Kovalova)

The Path towards a Strategic Interdependence (Dumitru Fornea, Member of EESC)

Bavaria in the Heart of Europe (Manuel Rimkus, Representation of the free state of Bavaria in the EU)

Quelle und FotoAPD

Datum12-14.04.2023

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